Irena Nesterowitsch

Interview: Irena Nesterowitsch, stellvertretende Direktorin für medizinische Arbeit Irena Nesterowitsch

Ich arbeite seit dem Jahr 2000. Ich bin am 1. Februar 2000 ins Zentrum als Kinderärztin zur Arbeit gekommen. Mein Arbeitsplatz war der Behandlungsraum für funktionale Diagnostik, der zu dieser Zeit mit den neuen funktionalen Geräten aus Japan ausgestattet war, die uns die Vertreter der Tschernobyl Kinderstiftung Japans geschenkt hatten. Dazu gehörten Elektrokardiograf, Spirometer, Gerät zur Sehschärfebestimmung. In Nadeshda habe ich zum ersten Mal solche Ausstattung getroffen, ich habe die Arbeit mit diesen Geräten gelernt und das hat mir Spaß gemacht.

Bis Nadeshda habe ich ungefähr 15 Jahre im Kinderkrankenhaus in Wilejka gearbeitet. Die Jahre der Tschernobyl Katastrophe fielen gerade auf den Beginn meiner professionellen Tätigkeit im Krankenhaus. Ich kann mich ganz gut an die Kinder erinnern, die von den Folgen der Tschernobyl Katastrophe gelitten haben und die man ins Krankenhaus gebracht hat. Das Ministerium für Gesundheitswesen wusste noch nicht, was man mit diesen Kindern machen musste. Ich kann mich an die ersten Kontakte mit den Kindern, ihre Erzählungen über den Brand in Tschernobyl erinnern. Deswegen waren die Kinder, die ich hier sah, mir auch in einigem Sinne bekannt und seelenverwandt.

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Seit dem 1. August 2000 und bis jetzt arbeite ich als stellvertretende Direktorin für medizinische Arbeit. Wir haben eine schöpferische Arbeit, die nicht nur die Arbeit mit den Kindern, sondern auch die Ausarbeitung von Methodiken, Programmen der Arbeit mit den Kindern einschließt. Wir beschäftigen uns mit der methodischen und inhaltlichen Arbeit. Im Zentrum ist unser eigenes Programm, das „Das Programm der Erhaltung und Stärkung der Gesundheit “ heißt, ausgearbeitet. Das ist das Programm zur gesunden Lebensweise und es wird bei der Arbeit mit den Kindern von Pädagogen, medizinischen Mitarbeitern und der Psychologin realisiert. Zur Aufgabe von medizinischen Mitarbeitern gehört die Vermittlung den Kindern von fundierten Kenntnissen über die Gesundheit. Zur Aufgabe der Pädagogen gehört die Bildung von Fertigkeiten bei den Kindern, die sie am Wohnort benutzen könnten, um sich vor der Radioaktivität zu schützen, sich richtig zu ernähren, sich zu bewegen und den Tag zu planen. Die Aufgabe der Psychologin besteht in der Entwicklung der Motivation bei den Kindern, damit sie diese Kenntnisse und Fertigkeiten am Wohnort verwenden und auch davon den Eltern, Freunden und Nachbarn erzählen könnten.

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Zu uns kommen die Kinder aus den kontaminierten Territorien von Minsk, Mogiljow und Gomel Gebiet. Sie kommen organisiert im Bestand ihrer Klassen, mit ihren Lehrern aus den Schulen. Da sie im Bestand der Gruppen kommen, haben sie verschiedene Erkrankungen. Deswegen haben wir für uns bestimmt, dass wir den Kindern Hilfe bei den verschiedenen Erkrankungen leisten müssen, aber in erster Linie bei den Erkrankungen der Atmungsorgane, die unter den Kindern, die auf den kontaminierten Territorien wohnen, am meisten verbreitet sind. Diese Idee liegt der Entwicklung von der medizinischen Basis zugrunde. Wir haben viele Apparate zur Hilfeleistung für die Kinder, Ausstattung und Behandlungsräume.

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Jedes Jahr wird die Erkrankungshäufigkeit der Kinder, die aus den kontaminierten Territorien kommen, analysiert. Einige Erkrankungsgruppen schwanken, z.B. in einem Jahr sind diese Erkrankungen mehr oder weniger verbreitet. Aber stabil bleibt es, dass durch Nadeshda jährlich ca 25% der Kinder kommen, die die Erkrankungen der Atmungsorgane haben, z.B. Bronchialasthma, verschiedene Arten von Allergosen und alles, was mit den Atmungsorganen verbunden ist. Die Erkrankungen der Atmungsorgane sind so verbreitet, weil die Radioaktivität das Immunsystem beeinflusst, die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Infektionen verringert und die Verbreitung der Allergie fördert. Deswegen erkranken diese Kinder sehr oft. Wenn sie krank werden, dann werden sie für eine längere Zeit krank. Als weitere verbreitete Erkrankungen kann man Kreislaufkrankheiten nennen, bei den Kindern kann man oft die Erscheinungsformen der vegetativen Dysfunktion in der Form von Kopfschmerzen, Schwäche, Trägheit, Ermüdbarkeit, Schwankung des Blutdrucks treffen. Der Blutdruck kann sowohl hoch als auch niedrig sein. Außerdem kann man bei den Kindern kleine Herzentwicklungsanomalien treffen, die die Gesundheit nicht zu sehr beeinflussen, aber trotzdem kann man sie finden. Es ist schwer für mich zu sagen, ob das mit Tschernobyl verbunden ist oder das zu den Problemen der ökologischen Situation gehört. Um das zu erklären, kann ich folgende Beispiele nennen: Durchhängen des Mitralklappensegels, anomale oder zusätzliche Chorden. Weiter nach der Verbreitung kann man die Erkrankungen der Verdauungsorgane nennen, viele Erkrankungen des Magens, der Gallenblase sind vertreten. Das passiert in erster Linie dadurch, dass die Kinder die Nahrung von eigenem Gemüsegarten, die Radioaktivität enthält, gebrauchen, ein falsches, nicht rationelles Ernährungsregime haben, sich nicht regelmäßig ernähren. Dazu gehören auch die Sozialfaktoren in den Familien, wenn z.B. die Eltern sich nicht leisten können, qualitative Ernährung zu kaufen.

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Auch sind die Erkrankungen der Schilddrüse sehr verbreitet. Sie wissen wahrscheinlich, dass die Erkrankungshäufigkeit vom Schilddrüsenkrebs einen Aufstieg im Jahre 1991hatte und die Erkrankungshäufigkeit sich bis 38 mal im Vergleich zur Situation vor Tschernobyl bei den Kindern vergrößerte. Jetzt kommt der Schilddrüsenkrebs bei den Kindern ziemlich selten vor. Die Bestrahlung der Schilddrüse haben die Kinder in erster Linie während der Tschernobyl Katastrophe bekommen. Viele Kinder haben erkrankt und jetzt kommt der Schilddrüsenkrebs mehr bei den Erwachsenen vor, weil sie ihre Dosis in der Kindheit bekommen haben. Zur Zeit sind unter den Erkrankungen der Schilddrüse diffuser Kropf, Schilddrüsenknoten, autoimmune Thyreoiditis verbreitet. Das gehört auch zum Problem und außerdem ist der belarussische Boden an Jod, Selen, Mikroelementen arm, deswegen bekommen wir sie durch unsere Produktion nicht genug, damit die Schilddrüse sich normal entwickeln könnte. Diese Erkrankung ist für unser Territorium typisch. In der letzten Zeit hat die Anzahl der Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sich vergrößert, z.B. Skoliose, Fehlhaltung, Deformierung der Brustwirbelsäule. Wir stoßen ziemlich oft auf die Situation, wenn das Kind bei einer geringen Belastung durch unvorsichtige Bewegungen den Knochenbruch vom oberen Sprunggelenk oder Handgelenk bekommt, z.B. das Kind ist hingefallen oder hat sich auf die Hand gestützt.

Wir verbinden das mit der Tatsache, dass die Knochen der Kinder Strontium ansammeln, das der Antagonist vom Phosphor und Calcium ist und die Knochen dann werden mehr zerbrechlich. Die Kinder haben verschiedene Erkrankungen Natürlich wird ihre Gesundheit auch von den Folgen der Tschernobyl Katastrophe und der ökologischen Situation in Belarus, auch von den Sozialfaktoren beeinflusst. Wir sehen auch, dass die Kinder aus der Stadt Gomel gut untersucht kommen und sie viele Diagnosen haben. Die Kinder aus den ländlichen Gebieten, die weniger Möglichkeiten der guten medizinischen Untersuchung haben, sind als gesund markiert. Trotzdem finden wir auch bei solchen Kindern eine Reihe der Erkrankungen. Mit den Kindern, die nach Nadeshda kommen, wird eine komplexe (medizinische, pädagogische und psychologische Arbeit) durchgeführt, um komplex den Zustand und die Gesundheit der Kinder zu beeinflußen.

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Ich möchte jetzt auch auf die Ernährung eingehen, weil sie auch eine große Rolle bei der Ausscheidung der Radionuklide aus dem Kinderorganismus spielt. Bei der Ernährung der Kinder wird landwirtschaftliche Produktion gebraucht, die nach den Technologien der ökologischen Landwirtschaft auf dem eigenen Grundstück gezüchtet wird. Durch die Untersuchung der Kindergruppen auf Caesium Anfang und Ende der Schichthaben wir festgestellt, dass der Caesiumgehalt auf 19% im Organismus von jedem Kind während der Schicht bei unserem Herangehen an die Ernährung (ökologisch sauber, rationell, balanciert, genug Obst, Säfte uns frisches Gemüse) verringert ist. Dank Obst, Gemüse und Säften wird das Funktionieren vom Darm verbessert und es erfolgt die Ausscheidung von Schlacken, Toxinen, die sich im Magen und im Darm ansammeln. Dabei ist auch die Bewegungsaktivität wichtig. Auf dem Territorium haben wir viele Spielanlagen, die nicht nur zur natürlichen Umwelt passen, sondern auch therapeutische Komplexe sind. Das Kind bewegt sich aktiver als zu Hause und sein Organismus wird von den Radionukliden befreit.

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Jetzt gehe ich zu den Folgen der Tschernobyl Katastrophe über. Zur heutigen Zeit wird der Einfluß der Radionuklide durch äußere Faktoren (Luft, Staub, Boden) und innere Faktoren (Lebensmittel) fortgesetzt. Es wird noch sehr lange dauern. Um diese Folgen zu minimieren, muss man mit der Bevölkerung eine aufklärende Arbeit durchführen. Radioaktivität ist nicht sichtbar, aber sie ist gefährlich. Man darf nicht die Waldproduktion (Pilze, Beeren), Fleisch der Wildtiere, Fisch von verschmutzten Flüssen nicht verwenden. Es gibt viele Methodiken, die uns erlauben, die Gemüseproduktion von den Radionukliden zu befreien. Man muss z.B. vom Kohl mehr Kohlblätter wegnehmen, von der Mohrrübe muss man den oberen Teil abschneiden, gut abwaschen, abschälen. Milch muss auch verarbeitet werden, weil es mehr Radionuklide in reiner Milch, als z.B.in saurer Sahne sind.

Natürlich muss die Bevölkerung sich an die Katastrophe erinnern, dass die gewesen ist und sie sich wiederholen kann, und auch darüber zu denken, um die Atomenergetik maximal sicher zu machen.

Wir arbeiten viel daran, um unsere Erholungsscheine besonders in der Sommerperiode zu realisieren. Wir haben 76 zusätzliche Plätze und nennen das unser Sommererholungslager. Auf dem Ufer von Wilejka Stausee haben wir in der Sommerperiode ein Sommerzeltlager für 180 Plätze. Der Gewinn wird für die Entwicklung des Zentrums in der Richtung des Umweltmanagements und größtenteils zur Verbesserung der Arbeitsqualität mit den Kindern gebraucht.

Die Perspektiven unseres Zentrums bestehen in der Fortsetzung der Aufnahme der Kinder von den kontaminierten Territorien bis das staatliche Programm gültig wird (bis 2020). Außerdem planen wir die behinderten Kinder ganzjährig im Rahmen des staatlichen Programms in der elterlichen Begleitung aufzunehmen. Mit diesem Zweck planen wir das neue Kinderschlafhaus zu bauen und planen den Bau in den nächsten Monaten zu beginnen, um dort 60 Kinder in der Begleitung von 60 Eltern unterzubringen. Laut den Prognosen wird es das Jahr 2018-2019 sein. Seit 2007 nehmen wir die behinderten Kinder, insbesondere mit den Störungen des Stütz- und Bewegungsapparates auf, das sind aber die Projekte, die von einer ausländischen oder belarussischen Wohltätigkeitsorganisation realisiert werden.

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